Die Rebsorte - Sémillon
Bei einer DNA-Analyse im Jahr 2009 konnte einzig eine enge Verwandtschaft mit Sauvignon Blanc festgestellt werden – wer allerdings die Elternreben des Sémillon sind, ließ sich trotz der modernen Forschungstechnik nicht feststellen. Die Ursprünge der alten weißen Traubensorte liegen aller Wahrscheinlichkeit nach in der französischen Gironde, in der sie bereits im 16. Jahrhundert angepflanzt worden sein soll. Erstmals erwähnt wurde sie im Jahr 1711 auf einem Dokument aus Bordeaux, ein Vierteljahrhundert darauf auf einer weiteren Urkunde aus Sauternes und weitere knapp 30 Jahre später in einem Schriftstück aus Okzitanien. Möglich auch, dass sich ihre Bezeichnung auf den Ort Saint-Émillon bezieht, der im lokal gesprochenen Dialekt so ähnlich ausgesprochen wird wie „Semiljun“. Die Alternative: eine Abstammung vom französischen Nomen „semis“, das im Deutschen mit „Sämling“ übersetzt wird.
Mehr als ein Trend in Frankreich und Südafrika
Viele weitere Aspekte rund um Sémillon stehen demgegenüber fest. So zählt die weiße Rebe zu den cépages nobles, den edelsten Traubensorten der Welt. Im 19. Jahrhundert haben Aussiedler die Rebe in ihrem Gepäck mit nach Australien geführt und mit ihr dort einen wahren Boom unter Winzern ausgelöst. Auch in anderen Ländern wie Südafrika, Chile, Argentinien oder den USA sowie innerhalb Europas, in Spanien, der Schweiz oder Österreich war sie bis vor Jahren stark nachgefragt. Inzwischen ist ihr Anbau wieder rückläufig – doch noch immer betragen die Anpflanzungen weltweit rund 22.000 Hektar, und mit mehr als der Hälfte von ihnen ist ihre Bedeutung unter französischen Weinbauern ungebrochen hoch. Im Jahr 2008 haben insgesamt 17 Weingüter in Bordeaux sogar ein gemeinsames Projekt mit dem Ziel initiiert, im Falle einer weiteren Verknappung des Rebmaterials eigene Klone zu ziehen. In Übersee ist Südafrika das Land, das mit dem Sémillon besonders große Erfolge erzielte und deren Winzer die weiße Traube unter anderem schlicht mit „Green Grape“ oder auch „Wyndruif“ bezeichnen – was einfach nur (grüne) „Weintraube“ bedeutet. Weitere Beispiele der insgesamt 58 Synonyme für die Rebe sind „Hunter River Riesling“ in Australien oder „Sémillon Bianco“ in Italien.
Dünnhäutigkeit als Vorteil
Die weißwollige, beinahe filzig behaarte Triebspitze ist offen und grünlich und zeigt einen leichten Stich ins Rot. Gelb mit bronzefarbenen Flecken hingegen ist die Farbe der leicht blasigen, leicht wollig behaarten Jungblätter. Ausgewachsen bleiben sie von mittlerer Größe, sie sind stumpf gezahnt, fünflappig und tief gebuchtet mit einer Lyren-förmig offenen Stielbucht. Auch die walzenförmige Traube ist mittelgroß, zudem geschultert. An ihr wachsen die rundlichen, anfangs goldgelben und bei voller Reife roséfarbenen Beeren dicht aneinander. Warten Sie nicht auf den fertig vinifizierten Wein, schmecken Sie aus den Früchten bereits eine leichte Muskatnote heraus. Trotz ihres durchschnittlich nur mittelhohen Ertrages werden die Reben zur Gewährleistung hoher Qualität in der Regel ausgedünnt.
Echter und Falscher Mehltau oder Verrieselung machen dem Sémillon nicht zu schaffen, in Saisons mit anhaltend feuchter Witterung allerdings ist er anfällig gegenüber Rohfäule. Während diese den Früchten schaden kann, hoffen die Winzer sogar auf einen Befall durch Botrytis Cinerea, der sich im Normalfall während der Herbstmonate auf der Beerenhaut ansiedelt. Denn dieser Schimmel ist verantwortlich für die erwünschte Ausbildung der für Süßweine unbedingt erforderlichen Edelfäule. Der Pilz entzieht den Beeren ihre Flüssigkeit und sorgt so für eine außergewöhnlich hohe Konzentration von Zuckergehalt und Mostgewicht. Sämtliche Aromen verdichten sich zu einer komplexen Reichhaltigkeit und ermöglichen zudem eine jahrelange Reife- und Lagerungsfähigkeit. Ausschließlich überreife Früchte der botrytisierten Beeren zeigen die gewünschte Qualität, weshalb sich die Lese als sehr aufwendig herausstellt und ausschließlich manuell erfolgt.
Lust auf Süßes?
Obgleich Sie sich auch von reinsortigem Sémillon oder dem beliebten Schaumwein Graces Crémant de Bordeaux verführen lassen können, ist es vor allem diese Edelsüße, die für einige der weltbesten, fast likörartigen Dessertweine verantwortlich zeichnet. Im Bordeaux werden mindestens 75% der Trauben zumeist mit rund 20% Sauvignon Blanc sowie zum Teil auch weiteren 5% Muscadelle verschnitten und führen zu berühmten Süßweinen wie dem Barsac, Loupiac oder Château d’Yquem aus Sauternes. Sémillon sorgt dabei für die gewünschte Üppigkeit und eine ölige Textur bei gleichzeitig geringem Säuregehalt. Die Weine betören mit einer zunächst dunkel-goldenen, später ins Rötliche tendierenden Farbe sowie einem vielfältigen Spektrum an Aromen, das von karamellisierten Aprikosen und Pfirsichen über frische Linden- und Akazienblüten bis hin zu Nüssen und Honig reicht. Mit der Dauer ihrer Reife entwickeln sie Anklänge getrockneter Früchte sowie exotische Gewürzaromen. Die einmalige Balance aus Cremigkeit, Frische und Kraft verleiht diesen Süßweinen ihre Einzigartigkeit. Doch auch in anderen Appellationen des Landes wie Bergerac, Montravel oder Saussignac und auch der Provence sind die Trauben zur Kelterung hochwertiger Dessertweine zugelassen. Und auch die südafrikanischen Winzer entscheiden sich zumeist für einen süßen Ausbau.
Auch Trockenheit kann verführen
Ganz anders, doch ebenso ausgezeichnet lassen sich trockene Weine aus Sémillon keltern – wie in den Bordelaiser Appellationen Pessac-Léognan, Graves oder Entre-Deux-Mers. Hier allerdings wird den Cuvées ein geringerer Prozentsatz der weißen Trauben zugeführt, die häufig mit Sauvignon Blanc und Chardonnay, in Übersee auch mit Chenin Blanc verschnitten werden und dem Wein seine lange Lagerfähigkeit und Fülle verleiht. Typische Aromen der trockenen Weine finden Sie zumeist in Zitrusfrüchten und grünen Äpfeln, gelber Pflaume und Honigmelone. Reifere Weine zeigen zudem Anklänge von geröstetem Toast und eine mineralische Frische. Traditionell werden diese finessenreichen, feinen Weißen im Barrique ausgebaut. Ihre empfohlene Serviertemperatur liegt zwischen zehn und dreizehn Grad Celsius, ihr Bouquet entfalten sie besonders gut in einem kleinen Weißweinglas mit leicht bauchiger Form. So erreichen die zarten Düfte Ihre Nase komprimierter und können sich auf der Zunge besser verteilen.
Dank Faulheit zur Fäulnis
Einst galt der weiche, likörartige Monbazillac als bekanntester und beliebtester Wein aus der Dordogne. Der „Muskatwein“ wird aus Sauvignon, Muscadelle und eben Sémillon gekeltert und auch hier liefert die weiße Traube das runde Aroma sowie vor allem die begehrte Edelfäule. Dass der florierende Weinhandel zwischen Bergerac und Holland nicht aufrechterhalten werden konnte und der Monbazillac erst um die letzte Jahrtausendwende seine Renaissance erlebte, lag an der damaligen Vernachlässigung der Weinberge durch die verantwortlichen Klosterbrüder. Eine optimale Gelegenheit für den mikroskopisch kleinen Pilz Botrytis Cinerea, sich zu entwickeln. Aus der Faulheit der rustikalen Mönche ist also etwas Einmaliges gewachsen: Sie führte zur Fäulnis der damit edlen Beeren.
- Der beste Wein ist ein offener Wein. -
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