Die Rebsorte - Roussanne
Eine weiße Traubensorte mit rostrot gefärbten Beeren – dies ist nicht die einzige Besonderheit des Roussanne, dessen Name sich entsprechend vom französisch „rousse“ für „rot“ ableitet. Und das ist auch schon der Hinweis darauf, woher die prätentiöse Rebe stammt: Im Südosten Frankreichs soll sie das Licht der Welt erblickt haben, entweder als Elternteil oder Nachkomme des Marsanne blanche. Denn belegt ist bislang nur, dass zwischen den beiden Weißweinsorten eine Eltern-Kind-Beziehung besteht – selbst Schwesternreben könnten die beiden laut DNA-Analysen sein. Präzisere Resultate zur Herkunft ließen sich bislang nicht feststellen.
Bekannterweise erstmals schriftlich erwähnt wurde der Roussanne im Jahr 1781 in einem Aufsatz, der sich den damaligen Weißweinsorten an der nördlichen Rhône sowie im Languedoc widmete. Noch heute finden Sie dort das größte Anbaugebiet der Rebsorte, die es ihren Winzern nicht immer leicht macht.
Für erfahrene Winzer
Roussanne ist vieles, doch gewiss nicht anspruchslos. Die Rebstöcke bitten um kalkhaltige Lehm- oder Tonböden oder karges, steiniges Terroir. Möglichst lange und warme Tage sind ebenfalls wünschenswert, sollen die Trauben am Saisonende ihre volle Reife entfalten. Geringe Temperaturen oder gar Wind liegt dem empfindlichen weißen Roussane gar nicht, zudem ist er anfällig für Grauschimmelfäule und andere Pilzkrankheiten, auch echtem Mehltau weiß er nichts entgegenzusetzen. Die Länge der Vegetationsperiode variiert und sollte jedes Jahr exakt bestimmt werden. Denn während ein zu früher Lesezeitpunkt zu einem unangenehm hohen Säuregehalt führen kann, sollte die Ernte unbedingt vor einem möglichen Alkoholgehalt von 14 Volumenprozent erfolgen. Andernfalls leidet die Balance und der Wein wirkt am Gaumen unausgeglichen. Sogar im Keller geben die weißen Beeren ihren Winzern noch schwierige Aufgaben mit auf den Weg, da sie gegenüber anderen Weißweinsorten besonders schnell oxidieren.
Zwitterpartie
Die Triebspitze des Roussanne ist offen, die weißwollige Behaarung wird durch einen leichten Anflug von Karminrot unterbrochen. Auch die blasigen Jungblätter sind wollig behaart, zudem zeigen sie bereits starke Buchtungen, die auch bei den großen, dicken, fünflappigen ausgewachsenen Blättern erkennbar sind. Die stumpfen Zähne am Blatt sind weit auseinandergesetzt, die Blattoberfläche ist blasig-derb und die Stielbucht Lyren-förmig geschlossen. An ihrer Walzenform und Dichtbeerigkeit können Sie die kleine bis mittelgroße Traube erkennen, die Früchte selbst sind rundlich und ebenfalls klein. Ihre zunächst weißlich bis goldgelbene Farbe wechselt mit zunehmender Reife zum namensgebenden Rostrot.
Wir haben Ihnen eingangs angedeutet, dass der Roussanne mit mehr als einer Besonderheit aufwartet. Hier also ist die nächste: Die Variante der edlen Weinrebe ist selbstfruchtend. Und zumindest damit bietet sie ihren Weinbauern einen Vorteil. Denn die zwittrigen Blüten entheben die Winzer von der Pflicht, ertragslose männliche Pflanzen pflegen zu müssen.
Für Weiß und Rot
Kräftig, aromatisch und säurebetont: Dies sind die typischen Merkmale des reinsortig ausgebauten Weißweins. Florale Noten, dazu Zitrusfrüchte, Marillen, Nüsse und frische Kräuter spüren Sie ebenfalls – hoffentlich jedoch weniger denn recht hohen Alkoholgehalt … Für einen Weißwein punktet Roussanne mit einem außergewöhnlichen langen Alterungspotenzial und entwickelt dabei zunehmend mineralische Noten. Insgesamt tendieren die komplexen Weißweine mit mittelkräftigem Körper zu einer eigenwilligen Trockenheit, gepaart mit oberflächlicher Frucht und einem würzigen Charakter. Definitiv kein Wein für Einsteiger in die Welt der weißen Trauben, aber die unvergleichlich faszinierende Wein-Persönlichkeit kann sich trotzdem über einen großen Liebhaberkreis freuen. Dennoch entscheiden sich Winzer nur selten für einen sortenreinen Ausbau. Als Verschnittpartner jedoch ist Roussanne äußerst beliebt – unter anderem können Sie sich über hervorragende Cuvées mit Marsanne, Grenache Blanc und Viognier, aber auch Bourboulenc, Vermentino und vereinzelt auch Chardonnay freuen.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Ein unter Kennern weltweit bekanntes Beispiel eines reinsortigen Ausbaus kommt mit dem Châteauneuf-du-Pape Blanc Roussanne Vieilles Vignes vom französischen Weingut Château de Beaucastel. In der Appellation im südlichen Rhonetal zählt Roussanne zudem zu den insgesamt 13 Rebsorten, die sowohl für rote als auch weiße Abfüllungen genutzt werden dürfen. Unter anderem reduziert sie den oftmals hohen Tanningehalt strenger Syrahs.
Weißwein im Rotweinglas
Synonyme für den Roussanne werden in der Regel eher lokal verwendet. So ist der Weißwein in der Toskana unter dem Namen Montecarlo und im französischen Savoyen als Bergeron bekannt. Im Schweizer Wallis wird der Wein als Ermitage du Valais angeboten. Kein Zusammenhang allerding besteht trotz der anfänglich identischen Bezeichnung mit der ebenfalls weißen Sorte Roussanne de Var aus der Provence.
Wie auch immer Sie Ihren Roussanne nennen – kühlen Sie ihn für ein optimales Geschmackserlebnis möglichst auf zehn bis zwölf Grad Celsius und gönnen Sie ihm ein Bordeauxglas! Die bauchigen Kelche, die sich nach oben verjüngen, kommen nicht nur jungen roten, sondern auch trockenen weißen Weinen zugute.
Zweimal Kalifornien
Aufgrund der hohen Ansprüche der Rebstöcke an ihr Terroir wurden Maßnahmen zur Selektion widerstandsfähigerer Klone ergriffen – und waren von Erfolg gekrönt. Dennoch finden Sie bislang weltweit nur wenige Länder, die sich dem Anbau von Roussanne verpflichtet haben. Neben Frankreich als Hauptgebiet, Italien und der Schweiz, gedeihen die sensiblen Rebstöcke mittlerweile auch vereinzelt in Südafrika. Vor allem aber in Kalifornien ist eine deutliche Zunahme der derzeit rund 100 Hektar umfassenden Fläche zu verzeichnen. Exakte Angaben der Bestände allerdings lassen sich erst seit Ende der 1990er-Jahre verifizieren. Erst zu dieser Zeit nämlich wurde durch DNA-Analysen aufgedeckt, dass als Roussanne vermarktete Weine in Wirklichkeit aus Viognier vinifiziert wurden. Absicht wurde den betroffenen Winzern aufgrund der verblüffenden äußeren Ähnlichkeit der Rebstöcke nicht unterstellt.
Dass es den echten Roussanne in Kalifornien überhaupt gibt, ist wohl dem US-amerikanischen Winzer Randall Grahm zu verdanken. Er soll in den 1980er-Jahren Stecklinge aus Châteauneuf-du-Pape in sein Heimatland geschmuggelt und damit den Grundstein für den heute legalen Anbau der einzigartigen Weißweinsorte Roussanne gelegt haben.
- Ein Trinkgefäß, sobald es leer, macht keine rechte Freude mehr. -
Wilhelm Busch
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