Die Rebsorte - Rivaner / Müller-Thurgau
Zwei Namen tragen die weltweit beliebten weißen Rebstöcke und beide setzen sich wiederum aus zwei anderen Namen zusammen. Beginnen wir mit der Doppel-Bezeichnung Müller-Thurgau. Schließlich führt uns diese sogleich zur Entstehung der Traubensorte. Oder besser, zu ihrem Züchter Hermann Müller. Über drei Jahrzehnte gingen ins Land, bis dem Schweizer Biologen die gewünschte Neuzüchtung einer Rebsorte mit hoher Ertragssicherheit gelang. Das Ergebnis präsentierte er zunächst im Kanton Thurgau: Der erste Name war geboren.
Der Wissenschaftler selbst schien jedoch nicht das Rampenlicht zu suchen. So entschied er sich dafür, die Kreuzung in seinem Heimatland als Zusammenstellung der ersten und letzten Buchstaben der ursprünglich vermuteten Elternreben Riesling und Silvaner mit „Rivaner“ zu benennen. Dass gentechnische Untersuchungen 1998 statt dem Silvaner die Traube Madeleine Royale als Mutterrebe erkannten, führte zu keinen weiteren Änderungen. Nach der geltenden EU-Sortenverordnung sind beide Bezeichnungen offiziell zugelassen. Die Abkürzung „Müller“ allerdings wird nur in Deutschland und ausschließlich als liebevolles Kosewort verwendet.
DACH-Region als Weinregion
Als sich die Schweiz bereits an ihrem neuen edlen Wein erfreute, galten in Deutschland noch strenge Regelungen für den Anbau einzelner Rebsorten. So schmuggelte ein mutiger Winzer einige Setzlinge des Rivaners per Boot über den Bodensee und damit über die Grenze. Beim Anbau auf seinen Weinhängen wurde er jedoch gestellt – und überzeugte die Verantwortlichen von den zahlreichen Vorzügen der Rebe. Neben ihrer Ertragsstabilität zählte hierzu unter anderem ihre Genügsamkeit an ihr Terroir. Denn solange der Untergrund ausreichend Feuchtigkeit aufweist, gedeiht der Rivaner ebenso auf Lehm und Kalk, wie auf stark stein- und schieferhaltigen Böden oder auch Schwemmland.
Kein Wunder also, dass die weltweite Anbaufläche inzwischen bereits auf gut 42.000 Hektar angewachsen ist. In Deutschland gilt der Müller-Thurgau mit fast der Hälfte davon aktuell als wichtigste Sorte – gleich nach ihrem Vater, dem Riesling. Österreich folgt mit großem Abstand, aber dennoch auf Platz zwei: Knapp 3.000 Hektar sind hier mit dem Müller-Thurgau bestockt. Während Italien noch auf rund 1.300 Hektar verweisen kann, beschränken französische Winzer den Anbau auf fünf ihrer insgesamt über 700.000 Hektar umfassenden Weinregionen. Und außerhalb Europas setzen unter anderem japanische Weinbauern auf die weiße Rebsorte mit ihrem starken Triebwuchs.
Dichtbeerig, früh reifend und ertragssicher
Selten nur entwickeln Rivaner-Reben sogenannte Geiztriebe, die sich seitlich von den Haupttrieben entwickeln. Die Triebspitzen sind maximal leicht flaumig und zeigen einen hellgrünen Farbton mit rötlichen Anklängen. An den ausgewachsenen mittelgroßen Blättern erkennen Sie fünf Lappen mit auffälligen Einbuchtungen und deutlich gewellten Oberflächen. Die locker- bis dichtbeerige Traube selbst ist groß, die Maße der ovalen grün-gelben Früchte gelten als durchschnittlich. Das Beerenfleisch ist fast farblos. Dank ihrer geringen Anfälligkeit gegenüber Rebkrankheiten und Witterungsextremen sowie ihrer frühen Reife garantiert die Rebe ihren Weinbauern hohe Erträge.
Jung und kühl genießen
Ausgebaut wird Müller-Thurgau zumeist als trockener oder restsüßer Qualitätswein in Edelstahltanks, in Einzelfällen auch halbtrocken oder für eine spätere Verwendung als Verschnittpartner. Nur ausgewählte Sur Lie-Weine liegen bis kurz vor der Flaschenabfüllung auf der Feinhefe. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Weine nicht lange lagerfähig, selbst rare Prädikatsweine sollten Sie nicht später als fünf Jahre nach ihrer Abfüllung genießen. Nach einer über zehnjährigen Lagerung werden sie als Eiswein oder Beerenauslese angeboten.
Rivaner wollen gar nicht mit den großen Gewächsen mithalten: Mit ihnen entscheiden Sie sich für leichte, unkomplizierte, harmonische Alltagsweine mit einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Charakteristisch sind ihre fruchtigen Zitronen- und Aprikosenaromen mit einem deutlichen Anklang von Muskat. Teilweise von floralen Noten unterlegt, ergeben die hohe Mineralität und die geringe Säure der Trauben milde, leichte und selten süffige Weißweine.
Blass bis hellgelb strahlt der Müller Ihnen aus dem Glas entgegen, dessen tulpenförmiger Kelch sich zur Öffnung hin verjüngen sollte. Schenken Sie den Wein bei rund zehn Grad Celsius ein, kommen der dezente Körper und die typischen Düfte besonders gut zur Geltung.
Müller schlägt Rivaner
Nicht nur auf zwei Namen, auch auf zwei Besonderheiten können die Rebstöcke verweisen: Die WhatsApp-Fangruppe „Die Müllers“ und den seit 1971 vergebenen Müller-Thurgau-Preis. Jährlich werden damit Personen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise um die Lehre und Forschung auf dem Gebiet des Weinbaus an der Geisenheimer Hochschule verdient gemacht haben. 2022 ging die Trophäe mit Professor Otmar Löhnertz an einen ehemaligen Leiter des Instituts für Bodenkunde und Pflanzenernährung. Was ihm dankend überreicht wurde, kommt aus dem Hause Zwiesel Glas. Sechs Glasmacher saßen gemeinsam an der aufwendigen Handarbeit, deren Form an antike Weinamphoren erinnert.
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