Die Rebsorte - Nebbiolo
Die Herkunft des Nebbiolo ist nebulös. Vermutet wird, dass die edle Rebe bereits in der Antike rund um die ehemalige Markgrafschaft Monferrato und der norditalienischen Langhe im Piemont angebaut wurde. Erste Schriften mit einer unverwechselbaren namentlichen Erwähnung datieren jedoch erst auf das 13. Jahrhundert – allerdings zählt die rote Traubensorte auch damit zu den ältesten Italiens. Ebenfalls ungeklärt ist ihre Abstammung. Neueste DNA-Analysen legen nahe, dass es sich bei dem Nebbiolo inzwischen um eine Waise handeln und die Elternreben mittlerweile ausgestorben sein müssen. Allerdings konnten entferntere Verwandtschaften unter anderem mit den Traubensorten Freisa, Negrera und Bubbierasco festgestellt werden.
Drei Theorien für die Edeltraube
Grund für die Namensgebung scheint die nebulöse Herkunft jedoch nicht zu sein. Vielmehr werden zwei andere Theorien geliefert – drei, möchten Sie es ganz genau nehmen.
Das italienische „nebbia“ lässt sich im Deutschen mit „Nebel“ übersetzen. Im Piemont, in dem die Rebe hauptsächlich wächst, zieht in den Herbstmonaten oftmals Morgennebel über die Weinberge. Darüber hinaus weisen die Beeren bei voller Reife einen weißlichen Schleierbelag auf, der an Nebelschwaden erinnert. Gänzlich unterschiedlich die Ansicht derjenigen, die den Namen der Rebsorte mit dem Begriff „nobile“ bzw. „nobel“ verbinden. Denn im Piemont waren nicht nur die roten Rebstöcke heimisch, sondern auch zahlreiche Aristokraten und Könige. Und diese noblen Männer wiederum ließen sich gerne einmal die noble Traube schmecken …
Weiße Triebspitze, schwarze Beere
Auch die offene Triebspitze der Rebe ist weißlich, wollig und behaart, nur die Spitzen sind leicht rötlich gefärbt. Ebenfalls starkwollig behaart, allerdings gelblich und mit bronzefarbenen Rändern zeigen sich die jungen Blätter. Der Glanz bleibt auch mit dem Alter erhalten, die mitteltief gebuchteten Blätter werden mittelgroß, sind relativ dick, fünflappig und stumpf gezahnt. Die Oberfläche der Blätter ist leicht blasig, die Stielbucht V-förmig offen. Die große Traube ist walzenförmig, in Einzelfällen geschultert und trägt mit mittlerer Dichte kleine, ovale, dickschalige Beeren von fast schwarzer Farbe.
Kapriziös und anspruchsvoll
Nebbiolo treibt früh aus, reift spät und stellt höchste Ansprüche an seine Lage. Sind die Böden nicht steil, kalkhaltig und voller Mergel, leidet die Qualität ebenso wie bei einer anderen Ausrichtung als der gen Süden oder Südwesten. Frühjahrsfröste können die Reben ebenso angreifen wie feuchte Witterungsverhältnisse, die während der Blüte zur Verrieselung und im Herbst zur Grauschimmelfäule führen können. Auch Echter Mehltau macht dem Nebbiolo zu schaffen, ein wenig mehr Widerstandsfähigkeit zeigt er gegenüber dem Falschen. Aufgrund der häufig zu hohen Erträge dünnen Winzer die Reben in der Regel gezielt aus. Dies mindert zwar den Ertrag, hebt aber die Qualität an.
Grundlage für zwei Berühmtheiten
Der Nebbiolo zählt zu den am langsamsten reifenden Weinen weltweit – gleichzeitig besitzt er auch eine entsprechend ungewöhnlich lange Lagerfähigkeit. So verändern sich im Laufe der Zeit auch seine Aromen und sein Geschmack. Bis vor kurzem boten Jungweine noch keinen großen Genuss. Zu tanninbetont, zu spröde, mit einer zu kräftigen Säure schmeckten sie in der Regel herb und erwiesen sich als unzugänglich. Neuartige Techniken während der Maische und im Ausbau führen inzwischen jedoch zu unkomplizierten Trinkweinen, die zwar die Tiefe der alten Nebbiolos vermissen lassen, aber durchaus mit anderen fruchtig-frischen Alltagsweinen mithalten können.
Seine wahre Größe allerdings entwickelt der Nebbiolo erst nach Jahren. Die Weine werden runder, komplexer und zeigen einen ausdrucksstarken Tiefgang. Das aromatische Bouquet erinnert typischerweise an Trüffel, Wild und Herbstlaub, Rosen und Veilchen, reife Pflaumen, dunkle Kirschen und rote Beeren. Dazu mischen sich würzige Nuancen von Nelke, Wachholderbeeren, Zimt und schwarzem Pfeffer.
Nebbiolo bildet die Basis zahlreicher weltbekannter Weine, ob sortenrein oder als Cuvée. Insbesondere für die einheimischen Traubensorten Vespolina und Bonarda stellt Nebbiolo einen beliebten Verschnittpartner dar, aber auch mit Merlot oder Cabernet Franc ergibt er Blends außergewöhnlichen Geschmacks.
Vor allem aber die DOCG-Berühmtheiten Barolo und Barbaresco werden mit der roten Edeltraube in Zusammenhang gebracht. Beide Weine zeichnen sich durch einen hohen Alkoholgehalt von bis zu 15% Volumen aus. Doch nicht in allen Aspekten ähneln sich der Barolo und seine kleine Schwester.
Barolo – beste Trauben aus besten Lagen
Als sortenreiner Nebbiolo muss der Barolo abhängig von seiner Qualitätsstufe nach den Vorschriften der Denominazione di Origine Controllata e Garantita mindestens 38 Monate im Keller des produzierenden Weinguts reifen, als Reserva erhöht sich diese Zahl auf 62. Jeweils eineinhalb Jahre davon ist eine Lagerung im Holzfass verpflichtend. Der Großteil der Winzer allerdings lässt den Wein sogar bis zu zehn Jahren ruhen, ehe er abgefüllt wird und bei Ihnen auch noch einmal gute zwei bis drei Jahrzehnte im Keller lagern kann.
Seinen Namen hat er durch den gleichnamigen Ort erhalten, rund um den sich eine Anbaufläche mit der Edelrebe von gut 1.300 Hektar bis in Nachbargemeinden wie Castiglione Falletto oder La Morra erstreckt. Ausgebaut werden Barolos entweder nach der traditionellen Methode im großen Fass oder als moderne Variante in kleineren Gefäßen, die die Frucht der roten Traube in den Vordergrund stellt.
Barbaresco – die kleine Schwester
Die Lese für den Barbaresco erfolgt etwas eher als die für den Barolo, der Tanningehalt ist insgesamt geringer und die Lagerung mit mindestens 26 Monaten – darunter neun im Holzfass – etwas kürzer. Dadurch ergibt sich gegenüber dem Barolo insgesamt ein milderer und samtigerer Wein, weshalb der Barbaresco oftmals als dessen kleine Schwester dargestellt wird.
Die jungen Barbarescos sind durch eine knackige Säure und einen hohen Anteil an Gerbstoffen charakterisiert, der sich im Laufe der Zeit verringert. Ab einem Alter von fünf Jahren erhalten Sie auch mit dem Barbaresco einen vollmundigen, körperreichen Wein voller Aromenvielfalt.
Auch hier war der gleichnamige Ort Namensgeber. Er befindet sich bei den Gemeinden Treiso, Neive und Alba, in denen die Nebbiolo-Traube auf unter anderem gut fünfhundert Hektar DOCG-Lagen gedeiht.
So trinken Sie Ihren Nebbiolo richtig
In einem tiefdunklen Rot zeigt sich Nebbiolo im Glas – am besten nehmen Sie das Glas, aus dem Sie auch einen Bordeaux trinken würden. Wichtig für die freie Duftentfaltung ist ein hoher, nach oben leicht zulaufender Kamin. Die ideale Trinktemperatur liegt zwischen 16 und 18 Grad Celsius.
Sächsische Rarität
Gut drei Millionen Nebbiolo-Weine werden jährlich neu in den Handel gebracht, die weltweite Anbaufläche beläuft sich auf rund 6000 Hektar. Fast 5300 davon liegen in Italien, abgesehen von einer einzelnen Region in der Lombardei, ausschließlich im Piemont. Aufgrund der hohen Ansprüche an Böden und Witterung, finden Sie in nur wenigen anderen Ländern eine vergleichbare Qualität. Dabei versuchen sich inzwischen einige Übersee-Länder an einer erfolgreichen Vinifizierung, unter anderem Argentinien, Kalifornien, Uruguay oder Südafrika. Innerhalb Europas galt bis 2014 alleine die Schweiz als Konkurrenz, in jenem Jahr jedoch brachte ein sächsischer Winzer seine ersten 110 Nebbiolo-Abfüllungen auf den Markt. Dies war der Beginn einer regelmäßigen Vinifizierung der Traube, die bislang allen Versuchen widerstanden hat, woanders in so hervorragender Qualität zu gedeihen, wie im Piemont. Vielleicht gelingt es ja Sachsen, mit der südlichen Region mitzuhalten. Immerhin gelten die Nebbiolo-Erzeugnisse aus dem ostdeutschen Bundesland als absolute Raritäten und wurden sogar bereits für einen guten Zweck zu dreistelligen Summen versteigert.
- Das Leben ist viel zu kurz um schlechten Wein zu trinken! -
J.W. von Goethe
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